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Gedanken der Verzweiflung haben Narben auf mir und in mir hinterlassen. Niemals mehr kann man den Blick abwenden, ohne zu sehen. Wirklich zu sehen. Dabei reicht es nicht, nur die Augen geöffnet zu halten. Nein, mit der Seele muss man sehen. Dinge nicht von Außen betrachen, sondern in ihr Innerstes blicken. So auch in ihr Gesicht. Ich betrachtete sie mit einer sanften Woge der Besonnenheit. Ich wollte keineswegs starren und sie somit verschrecken. Nein, ich wollte Vertrauen schenken. Doch ob es klappte, wusste ich nicht. Noch niemals war ich der Mensch, der Dinge einfach anspricht, der Menschen einfach anspricht. Immer war ich der Meinung man brauche einen trifftigen Grund, um auf Menschen zuzugehen. Noch nie habe ich Smalltalk mit einem fremden Menschen geführt. Nur immer mit mir selbst. Gedankenabläufe sind meiner Meinung nach einfach gestrickt. Man denkt sie und meistens sind sie schnell wieder fort und wenn nicht, dann kehren sie zwar wieder, doch kann man sie bezwingen, wenn man es wirklich will. Einfach mit einem Achselzucken abtun. Ihnen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu Teil kommen lassen. So denke ich viel am Tag und schiebe noch mehr von mir fort. Nur nichts an mich herankommen lassen, nichts fühlen, das ist zu gefährlich. Man droht daran zu zerbrechen. Schon oft genug habe ich dies erfahren. Schon oft genug lag ich am Boden und habe nach Luft gerungen, mich panisch nach Hilfe umgesehen. Doch diese Hilfe kam nicht. Das Warten war vergeblich. Jeden Tag wartete ich darauf, dass sie zur mir kommen würden. Sich nach mir erkundigen würden. Jeden Tag, jeden Tag aufs Neue. Die Tage reihten sich, ohne, dass mein Wunsch jemals erfüllt wurde. Aus Tagen wurden Jahre, die ich nur mit mir verbrachte. Einsamkeit ist also kein Fremdwort für mich. Sie ist mein Leben.
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© Nelli H.