Kurzgeschichten, Poesie

Der Tag, an dem wir tanzten.

Noch mit geschlossenen Augen koste ich den Morgen voll aus, rekle mich, spüre in meinen Körper hinein. Versinke in meiner inneren Welt. Das betrachtende und fühlende Ich setzt einen Fuß vor den anderen, spürt den Sand durch die Zehen rieseln, die leichte Wärme kitzelt meine Fußsohlen. Angenehm weich landen meine nicht zu Ende gedachten Gedanken auf dem Borkumer Strand.

Du sitzt schon da, genießt das Rauschen des Meeres und den Gesang der Möwen, die schon am frühen Morgen diesen Tag preisen, bist vollkommen präsent in diesem Moment. Ich sehe förmlich, wie dein Herz tanzt, weil du dich zu Hause fühlst, weil du den Frieden in dir spürst.

Ich fühle, was du fühlst, denn ich bin du und du bist ich, wir sind eins. Das Einzige, was sich unterscheidet, sind unsere Blickwinkel und das Umgehen mit dem Erlebtem. Denn du lebtest schon früher als ich in einer Welt, die dunkler war.

Seit dem Moment, in dem ich begriff, wie wichtig es ist, dir zu verzeihen, dich anzunehmen, dich zu lieben und vor allem, mich überhaupt erst mit dir, deinen Erfahrungen und deiner Gefühlswelt auseinanderzusetzen, ist dieser Ort unser Treffpunkt. Eine wunderbare Bühne, auf der sich so vieles abspielt.

Nachdem wir für kurze Zeit stumm nebeneinandersitzen und die Präsenz des jeweils anderen vollends auskosten, betrachte ich den Beutel, der neben dir liegt. Langsamen Schrittes gehe ich auf ihn zu, um ihn anzuheben, was sich als nicht einfach erweist, da er so schwer ist, dass meine Arme zittern, während ich ihn hochhalte. In ihm befinden sich Steine, auf denen geschrieben steht, was du von dir denkst, aber nicht mehr denken möchtest.

Behutsam widmen wir uns dem ersten Stein, auf dem Scham geschrieben steht. Mit voller Kraft schleudere ich ihn Richtung Meer und sehe ihm beim Sinken zu. Gut fühlt es sich an, ein Stück der Last loszuwerden. Den nächsten nimmst du: Du musst dich anpassen.

Weg mit dir!“, rufst du. Mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht wirfst du ihn in das Meer und begrüßt das Ploppen mit einem freudigen Aufschrei. „Wohohohohoooooo“, schallt es über den Strand.

Würden hier noch andere Menschen mit uns verweilen, hättest du sie sicher mit deiner Euphorie anstecken können. Nach und nach leert sich der Beutel, wir finden darin Sätze wie: Du bist nicht genug. Du musst immer klein beigeben. Du musst die Ziele anderer priorisieren, statt deiner eigenen. Du musst mehr auf andere achten als auf dich selbst. Du musst es allen recht machen.

Mit jedem Stein, den wir sinken sehen, wird der Wellengang stärker und lässt die Kraft des Meeres in uns übergehen. Voller Freude und Tatendrang tanzen wir ganz wild um Sandburgen herum, die der Wind noch nicht hinfort getragen hat. Dein Lachen hallt noch nach, nachdem ich die Augen öffne, um diesen Tag voll auszukosten.

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Poesie

Schicht für Schicht

Zwischen innen und außen,
zwischen still sein und aufbrausen,
zwischen hier sein und dort,
in jeder Sekunde schon fort,
was eben noch war,
was jeder Moment gebar.

Doch halte ich das Gefühl
der Freiheit fest,
dass ich sein kann, wie ich bin,
und zu jedem Zeitpunkt genüge.

Aber ich bin mir bewusst darüber,
dass ich nicht über unendlich Zeit verfüge,
daher lasse ich gehen, was nicht ist,
bevor es mich vollkommen zerfrisst.
Lasse ziehen, was nicht zu mir gehört,
bevor es meinen Frieden stört.

Jede Empfindung – ein Begleiter
von unbestimmter Dauer,
eine fühlbare Mauer,
die irgendwann einstürzen wird.

Geduldig werde ich fühlen und warten,
bis sie bricht

Schicht für Schicht.

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Alltagsgedanken

Leben ist jetzt.

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Poesie

Sei ein Rebell: fühle.

„Schlimm wäre, wenn wir am Ende unserer Tage zu wenig gefühlt hätten.“

Diesen Satz sagte heute eine Freundin zu mir, der mich zum Nachdenken brachte und mir dabei half, meine Sichtweise zu ändern.

Du kennst das sicher: Wir denken, wir sind zu viel für andere, zu emotional. Vielleicht steigern wir uns auch zu sehr in etwas hinein und drehen uns im Kreis. Wir denken, dass wir schlichtweg irgendwie „falsch“ sind und möchten Emotionen wegdrücken, um nicht „unangenehm“ zu sein.

„Sei nicht so laut. Stell dich nicht so an. So schlimm war das nicht …“, das sind Sätze, die uns geprägt haben. Sätze, die uns gelehrt haben, uns anzupassen, ja nicht aufzufallen, Gefühle herunterzuschlucken, egal, ob uns das guttut oder nicht.

Doch die Sache mit Gefühlen ist, dass sie immer stärker werden, wenn wir sie nicht fühlen. Also ist es unausweichlich, sie zuzulassen, wenn wir nicht irgendwann völlig von ihnen überwältigt werden möchten.

Daher mein Appell an dich: Sei ein Rebell und fühle!

„Es geht nicht darum, die Gefühle aus dem Kopf zu bekommen oder sie darin zu verstecken, sondern darum, sie mit Akzeptanz zu durchleben.“ (Carl R. Rogers)

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Poesie

Du bist genug.

Manchmal schaue ich dir in die Augen und erkenn‘ dich nicht. Die Worte kommen aus deinem Mund, doch sind es Gedanken von jemand anderem. Das ist, was schmerzt. Dass die Gedanken dieser anderen Person wichtiger sind als unsere Emotionen, die wir versuchen, dir zu vermitteln. Dass es wichtiger ist, dass wir Regeln befolgen und in das Bild passen, das ihr darüber habt, wie man zu sein hat. Folgsam, hart arbeitend, denn das Leben muss schwer sein.

Wie Fesseln legt sich die Vergangenheit um meinen Körper. Verursacht Kieferschmerzen und Verspannungen. Manchmal drohe ich zu ersticken, wenn sich die Fesseln enger ziehen. Das einzige, was dann hilft, ist, mich daran zu erinnern, was das Leben lebenswert macht. Menschen, denen ich wichtig bin und die mir wichtig sind.

Egal, wie schnell ich laufe und wie weit ich renne, die Vergangenheit ist immer da. Vernarbungen, die meine Seele umschatten. Jedes gesagte Wort hat Spuren hinterlassen und die Last auf meinen Schultern verstärkt.

Lange Zeit fühlte ich mich wie eine Bürde. Ich fühlte mich, als habe ich kein Recht auf einen Platz auf dieser Welt. Und manchmal wollte ich dem nachgeben und diesen Platz für jemand anderen freimachen.

Doch ich habe verstanden, dass das nicht stimmt. Dass ich eine Daseinsberechtigung habe. Dass ich einen Unterschied machen kann, indem ich meiner Intuition und meinem Weg folge.

Und das möchte ich auch dir heute sagen: Du bist wichtig! Du bist genug und du bist wundervoll – so wie du bist!


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